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Ausgabe Text Artikel Hochsensibilitätphoto
Was bedeutet es, wenn ein Hochsensibler viel mehr wahrnimmt, sowohl innen als auch außen? Wahrnehmung ist heute ein Thema, das in Psychologie, Esoterik und Selbsterfahrung neu entdeckt wird, angefangen bei außersinnlicher Wahrnehmung, über Achtsamkeit bis zur Fähigkeit von Empathie im Alltag. Viele Menschen möchten intuitiv sein und mehr wahrnehmen als andere. Was bedeutet es aber wirklich, mit einer Veranlagung zur stark erhöhten Wahrnehmung in einem oder mehreren Bereichen geboren worden zu sein?

Zunächst ist ein Hochsensibler in seiner Kindheit oft einsam, und das nicht im körperlichen sondern im seelischen Sinn. Denn er oder sie hört folgende Sätze: „stell dich nicht so an“, „was ist denn jetzt schon wieder?“, „unser Sensibelchen“, „reiß dich zusammen“, „ein Indianer kennt keinen Schmerz“… Diese Einsamkeit kann sich bis ins Erwachsenenalter hinein fortsetzen, weil der hochsensible Mensch vielleicht ausschließlich unter „normal“ Veranlagten lebt. So entsteht ein Selbstbild, das sich als schwach und ungenügend empfindet.

Über Hochsensibilität ist schon viel geschrieben worden. Ich werde in Zukunft auf dieses Thema auch näher eingehen. An dieser Stelle geht es mir um einen bestimmten Aspekt: das Leiden hochsensibler Menschen unter einer menschlichen Umgebung, die Grenzen nicht einhält und dem Hochsensiblen und seinen oder ihren Bedürfnissen keinen Respekt entgegenbringt.

Dieses Leiden ist ein besonderes, denn Hochsensible empfinden es wie unter einem riesigen Vergrößerungsglas. Sehr oft bleibt das Leiden an dieser Welt sprachlos, denn viele Hochsensible wissen nicht um ihre Veranlagung und können so keinen inneren Standpunkt entwickeln, der ihnen selbst wirklich gerecht wird. Sie beurteilen sich und ihre Handlungen nach den Maßstäben, die ihnen beigebracht wurden. Das Märchen vom häßlichen Entlein ist hier hilfreich: die Schwäne taumeln von einer unpassenden Umgebung in die nächste und geben sich selbst die Schuld an ihrer Misere.

Wenn ein hochsensibler Mensch leidet, dann sehr intensiv und oft über Jahre. Auch das ist eine Folge der weit offenen Wahrnehmung. Denn, was wird alles wahrgenommen? Im zwischenmenschlichen Bereich die offenen und vor allem auch versteckten Beweggründe, Gefühle und der Wille der Mitmenschen. Das kann sich für einen Hochsensiblen so anfühlen, als überrolle ihn oder sie ein Panzer. Wo andere vielleicht nur ein wenig schlechte Laune sehen sieht der Hochsensible das ganze Panorama. Und er sieht es nicht nur, er fühlt die Gefühle der anderen Manschen oft am eigenen Leib.

Die innere Wahrnehmung ist normalerweise gleich stark ausgeprägt. Das bedeutet, der hochsensible Mensch empfindet die unterschiedlichsten Regungen im eigenen Körper, fühlt seine Gefühle manchmal mit der Stärke eines inneren Sturms und muss diese Informationen zu einem sinnvollen Ganzen verarbeiten. Normalerweise gibt es dafür in unserer Welt keine Unterstützung, es sei denn in einer Psychotherapie.

Dann kommen aber weitere Wahrnehmungen hinzu: Geräusche, die von Hochsensiblen manchmal bis zur Unerträglichkeit laut gehört werden, Gerüche (ich selber habe schon manchmal einen Apfel gerochen, der im Nebenzimmer auf einer Obstschale lag), das Kratzen von Kleidung auf der Haut, die verstärkte Wahrnehmung von Schmerzen bei einer Erkrankung… Das heißt, bei manchen Hochsensiblen sind die Sinneswahrnehmungen extrem geschärft. Was das in einer Umwelt bedeutet, die hierauf keine Rücksicht nimmt kann sich kaum jemand vorstellen, der oder die es nicht kennt. Vergleichbar wäre die Erfahrung eine Hundes, der der hochfrequenten Tonlage einer Hundepfeife über Stunden ausgesetzt wäre.

Eine im Grunde völlig logische, aber selten durchdachte Gleichung: je weiter entwickelt die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen ist, desto größer die Schmerzempfindlichkeit, die Palette der Bedingungen, die Schmerzen hervorrufen können. Desto größer die Verletzlichkeit. Normalerweise haben Hochsensible durch ihre empathische Veranlagung auch das Geschehen in der restlichen Welt im Blick und im Gefühl. Abendnachrichten, die „Normale“ vielleicht mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis nehmen, verursachen bei einem Hochsensiblen möglicherweise Tränen, Zorn, Ãœbelkeit oder depressive Gefühle.

Ist an diesen Erfahrungen Hochsensibler irgendetwas romantisches oder exotisches? Nein, die meisten Hochsensiblen würden ihre Begabung lieber heute als morgen an einer imaginären Rückgabestelle abgeben. Das liegt daran, dass weder andere noch sie selber im Normalfall die besondere Begabung eines hochsensiblen Kindes oder Erwachsenen verstehen, dass die Umgebung keinen Grund sieht, sich auf diesen Menschen einzustellen und dass der hochsensible Mensch auf diese Weise immer in einer Art Diaspora lebt. Er kommt nie in ein gefühltes Zuhause, wenn die Begabung nicht gesehen und gefördert wird.

Ja, es handelt sich wirklich um eine Begabung. Laut Forschungen sind Hochsensible überdurchschnittlich oft auch hochbegabt. Aber auch ihre hochsensible Veranlagung lässt sie natürlich seelisch in Bereiche vordringen, von denen viele andere Menschen nur aus Büchern erfahren. Ein gefühlsmäßiger und psychischer Reichtum kann sich entfalten, wenn Hochsensible die richtige Umgebung und Förderung finden. Die Forschung auf diesem Gebiet ist gelegentlich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass Hochsensible eine besondere Rolle in der Gemeinschaft einnehmen, dass dies von der Evolution so vorgesehen ist. Sie können diejenigen sein, die die Gemeinschaft auf verborgene Gefahren aufmerksam machen, aber auch diejenigen, die die besondere Schönheit oder das Potential in Umständen oder Entwicklungen sehen können und dies ihren Mitmenschen mitteilen.

Wenn man oder frau ihnen denn zuhören will. Unsere Gesellschaft schätzt die Stärke, die Ellenbogen und Durchsetzungsfähigkeit. Nicht Schüchternheit, Zurückhaltung und sensibles Fühlen. Dass eine erweiterte Wahrnehmung heute von Menschen auf dem spirituellen Weg angestrebt wird, beruht nach meiner Meinung zum Teil auf Mangel an Information, was diese Erweiterung wirklich bedeutet. Es ist eine Modeerscheinung. Ich finde es gut und sinnvoll, die Wahrnehmungskanäle zu öffnen. Wenn man diesen Weg gehen möchte, sollte man sich aber einige Fragen stellen: Wenn ich all die Lügen und Halbwahrheiten, die Manipulationen und Grausamkeiten in dieser Welt wirklich fühle und klar sehe – kann ich damit leben? Wie verhalte ich mich hinterher dazu? Wenn ich die Wahrnehmung zum Beispiel zur geistigen Welt erweitere, dann öffne ich auch die Pforten zu meiner persönlichen Unterwelt. Kein Licht ohne Schatten. Will ich das alles wirklich wissen und in meine Persönlichkeit integrieren?

Hochsensible waren nach meiner Auffassung geschichtlich die Schamanen, Seher, Heiler und Künstler. Und in Europa und Amerika ist man mit dieser Menschengruppe brutal verfahren.

Für die Leser und Leserinnen, die selber nicht hochsensibel sind: tut Euren Freunden, Kollegen oder Verwandten mit dieser besonderen Veranlagung die Ehre und hört ihnen zu. Nehmt ihre Anliegen ernst und respektiert sie. Damit ermöglicht Ihr, dass Euer gemeinsames Leben sowohl tiefer als auch bunter und interessanter wird.

Und an die Hochsensiblen: nicht verzweifeln! Macht Euch auf die Suche nach einer Umgebung, die Eure Heimat werden kann und danach, wie Ihr Euer besonderes Potential zum Wohle von Euch selber und zum Wohle anderer Menschen verwirklichen könnt.

Jara Astrid Becker
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